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Datum: 06.01.2021

Stadtmuseum Bergen auf Rügen: Gedenken an Hans Langsdorff

Bergen brachte einige berühmte und wichtige Persönlichkeiten hervor, welche die Stadt immer noch in positiver Erinnerung behält. Beispiele hierfür wären die Pädagogin und Heimatforscherin Magdalene Hänsel, der Philosoph Arnold Ruge und natürlich der Chirurg Theodor Billroth. Nun wird in Bergen beraten, ob ein weiteres Kind der Stadt in diesen illustren Kreis aufgenommen werden soll. Zur Diskussion steht dabei der Kapitän zur See Hans Langsdorff (1894-1939), der letzte Kommandant des Panzerschiffs „Admiral Graf Spee“. Ich habe mich während meines Praktikums im Stadtmuseum Bergen genauer mit ihm auseinandergesetzt und möchte meine Überlegungen hier darlegen. Langsdorff führte zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einen Kampf gegen die britischen Handelslinien und musste sich schließlich nach einem harten Gefecht mit einem Verband der Royal Navy in den Hafen von Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, zurückziehen. Nachdem dem Kommandanten die notwendigen Reparaturen an seinem Schiff verweigert und er zum Auslaufen aufgefordert wurde, entschied sich der gebürtige Bergener gegen ein letztes, aussichtsloses Gefecht und ordnete die Selbstversenkung der „Admiral Graf Spee“ an. Dadurch widersprach er nicht nur dem Ethos des nicht aufgebenden Soldaten und somit den Erwartungen seiner Vorgesetzten, sondern rettete auch seiner aus über 1000 Mann bestehenden Besatzung das Leben. In diesem Zusammenhang soll der berühmte Ausspruch gefallen sein, dass Langsdorff „1000 junge lebende Menschen lieber [seien] als 1000 tote Helden.“ Nach der erfolgreichen Zerstörung des Panzerschiffs floh der Kommandant in einer Nacht und Nebel Aktion mit seinen Matrosen nach Buenos Aires und sorgte dort für ihre sichere Unterbringung. Hans Langsdorff wählte am 20. Dezember 1939 in Argentinien den Freitod.

Die Entscheidung von Langsdorff, kein sinnloses Blutvergießen zuzulassen, soll nun der Anlass für eine Gedenktafel in Bergen sein. Allerdings lohnt es sich, gerade bei einem aktiven Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg, genauer hinzugucken. Es ist dementsprechend erleichternd, wenn man guten Gewissens behaupten kann, dass Hans Langsdorff nach unseren bisherigen Erkenntnissen kein überzeugter Nazi war. Dennoch wirft seine Tätigkeit bei der Marine die Frage auf, inwiefern die Ehrung eines Weltkriegskommandanten durch eine Stadt, welche keinerlei Verbindungen zum Militär besitzt, in der heutigen Zeit noch angemessen ist. Außerdem können auch die Intentionen hinter der Selbstversenkung des Panzerschiffs hinterfragt werden, da es für Langsdorff von oberster Priorität war, dass das geheime Equipment der „Admiral Graf Spee“ nicht in die falschen Hände fiel. Es sprachen somit nicht nur moralische, sondern auch militärische Aspekte für das Vorgehen des Kommandanten. Ein weiterer Punkt, welcher bei einer Ehrung Langsdorffs berücksichtigt werden müsste, ist dessen Verbindung zur Stadt Bergen. Zwar erblickte er hier das Licht der Welt, jedoch zogen seine Eltern mit ihm bereits sechs Monate nach seiner Geburt fort. Der Langsdorff-Biograph Hans-Jürgen Kaack nennt ihn gar einen „echten Düsseldorfer Jungen“. Möchte die Stadt Jemandem gedenken, der sich nicht einmal an Bergen erinnern konnte?

Hans Langsdorff ist eine ungemein interessante Persönlichkeit, die zu Diskussionen einlädt und durchaus für eine Ehrung durch die Stadt Bergen in Frage kommen kann.

Till Wichert (Praktikant im Stadtmuseum vom 29.09.-29.10.2020).
Foto: Quelle (Stadtmuseum Bergen auf Rügen/Stadt Bergen auf Rügen)

Autor/in: Till Wichert